1917
Heinrich Böll wird am 21.
Dezember, im schlimmsten Hungerjahr des
Ersten Weltkriegs, als 3. Sohn des Schreinermeisters
und Holzbildhauers Viktor Böll und
seiner zweiten Frau Maria geb. Hermanns
in Köln geboren. Die Vorfahren väterlicherseits:
Schiffszimmerleute, die vor Jahrhunderten
aus religiösen Gründen aus
England emigrierten und sich am Niederrhein
in Xanten niederließen; die Vorfahren
mütterlicherseits: Bauern und Bierbrauer.
1924 - 1928
Volksschule in Köln.
1928
Besuch des Staatlichen Humanistischen
Kaiser-Wilhelm-Gymnasiums in Köln.
1929 - 1932
Die Familie Böll erfährt
das Schicksal des größten
Teils der inzwischen über fünf
Millionen Arbeitslosen: Gänge zum
Pfandhaus, Gerichtsvollzieher an der
Wohnungstür und Pfändungen
gehören zum Alltag.
1933 - 1936
Am 30. Januar 1933 wird Hitler
zum Reichskanzler ernannt. In der Familie
Böll spricht man häufig und
offen über die politischen Ereignisse.
Heinrichs Mutter kommentiert die Wahl
Hitlers mit: "Das bedeutet Krieg!" In
der Böllschen Wohnung finden häufig Treffen
katholischer Jugendgruppen statt. Wie
sich anhand der im Nachlass gefundenen
Manuskripte - kurze Erzählungen
und Gedichte - nachweisen lässt,
beginnt Böll 1936 zu schreiben.
1937 - 1939
Böll macht 1937 sein Abitur
und beginnt eine Buchhändlerlehre
in Bonn, die er nach elf Monaten wieder
abbricht. 1938 wird Böll zum Arbeitsdienst
eingezogen. Im Sommer 1939 immatrikuliert
er sich an der Universität Köln,
im Herbst wird er zur deutschen Wehrmacht
einberufen.
1939 - 1945
Teilnahme am Zweiten Weltkrieg
in Frankreich, Polen, in der Sowjetunion,
in Rumänien, Ungarn und Deutschland.
Fast jeden Tag schreibt Böll einen
Brief an die Familie und an seine Freundin
Annemarie Cech, die er 1942 heiratet.
1944
Tod der Mutter durch einen Herzinfarkt
nach einem Fliegerangriff. Den ganzen
Krieg über versucht Böll, der
kein Offizier werden will, dem Dienst
zu entkommen. Zunächst schreibt
er Freistellungsgesuche, um studieren
zu können, später zieht er
sich künstlich Krankheiten zu oder
fälscht Urlaubsscheine. Viermal
wird er verwundet.
1945
Entlassung aus amerikanischer
Kriegsgefangenschaft. Geburt und Tod
des Sohnes Christoph. Rückkehr nach
Köln.
Heinrich Böll
schreibt sich erneut an der Kölner
Universität ein, um eine Lebensmittelkarte
zu erhalten. Er arbeitet als Hilfsarbeiter
in der Schreinerwerkstatt seines Bruders
Alois. Seine Frau Annemarie arbeitet
in ihrem Beruf als Lehrerin und sichert
dadurch weiterhin die Existenz der Familie.
Böll schreibt Romane wie den bisher
unveröffentlichten »Kreuz
ohne Liebe« und den erst posthum
erschienenen »Der Engel schwieg«;
daneben entstehen zahlreiche Kurzgeschichten.
Alle Arbeiten haben die Nazi-Zeit, die
Zeit des Krieges oder die Gegenwart zum
Gegenstand. 1947
Im März verschickt Böll
seine ersten Kurzgeschichten an
verschiedene Zeitungen und Zeitschriften.
Er läßt sich von der Universität
Köln für ein Semester
beurlauben und nimmt danach das Studium
nicht wieder auf. Geburt des Sohnes
Raimund.
1948
Annemarie Böll scheidet
vorübergehend aus dem Schuldienst
aus. Erste Kontakte zum Friedrich Middelhauve Verlag,
Opladen, durch eine Übersetzung
von Annemarie und Heinrich Böll
aus dem Englischen. Geburt des Sohnes
René.
1949
Die Erzählung »Der
Zug war pünktlich« erscheint.
Da die Honorare der Veröffentlichungen
nicht zum Leben reichen, bewirbt sich
Böll auf verschiedene Stellen: "Meiner
Familie gegenüber kann ich jedenfalls
eine andere Lebensweise nicht länger
verantworten", heißt es in
einem Brief an seinen Lektor, "und
obwohl ich manchmal glaube, eine Aufgabe
zu haben, so ist mir die Literatur doch
im Grunde genommen keine unglückliche
Stunde meiner Frau oder meiner Kinder
wert."
1950
Aushilfsangestellter beim Statistischen Amt
der Stadt Köln. Es erscheint ein
Band mit Kurzgeschichten: »Wanderer,
kommst Du nach Spa« Geburt des
Sohnes Vincent.
1951
Einladung zu einer Tagung der
Gruppe 47 in Bad Dürkheim.
Böll erhält den Preis der Gruppe
für die Erzählung »Die
schwarzen Schafe«. Der Roman »Wo
warst du, Adam?« erscheint.
1952
Böll schließt einen
Vertrag mit dem Verlag Kiepenheuer & Witsch
in Köln.
1953
Der Roman »Und sagte kein
einziges Wort« erscheint.
Böll wird Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
1954
Der Roman »Haus ohne Hüter« erscheint.
Erste Reise nach Irland.
1955
Böll erhält für »Haus
ohne Hüter« den Preis der
französischen Verleger für
den besten ausländischen Roman.
Böll wird Mitglied des PEN-Zentrums der Bundesrepublik.
1956
Aufruf von 105 Persönlichkeiten
des kulturellen Lebens (u.a. Albert Camus,
Pablo Picasso, Arthur Köstler, Jean
Paul Sartre und Heinrich Böll) gegen
das Vorgehen der Sowjetunion beim Aufstand
in Ungarn und gegen die Intervention
Großbritanniens und Frankreichs
in Ägypten (Suez-Krise).
1957
»Irisches Tagebuch« erscheint.
1958
Böll erhält verschiedene
Preise. Im Rundfunk darf ein bereits
angekündigter Beitrag Heinrich Bölls, der »Brief
an einen jungen Katholiken« wegen
seiner massiven Kritik am deutschen
Nachkriegskatholizismus nicht gesendet
werden. »Dr. Murkes gesammeltes
Schweigen und andere Satiren« erscheint.
1959
Der Roman »Billard um
halbzehn« erscheint. Böll
erhält verschiedene Preise. Er wird
Mitbegründer der "Germania
Judaica", der Kölner Bibliothek
zur Geschichte des deutschen Judentums.
In dieser Zeitspanne
setzt sich Böll stärker mit
der katholischen Kirche in der Bundesrepublik
auseinander, der er politische Einseitigkeit vorwirft.
1960
Böll wird Mitherausgeber
der Zeitschrift »Labyrinth« in
der versucht wird, auf christlicher Basis
einen Gegenentwurf zum bestehenden
gesellschaftlichen und politischen System
zu formulieren. Tod des Vaters in Köln.
1961
Ehrengast der Deutschen Akademie
in der Villa Massimo in Rom. Nach dem
Bau der Berliner Mauer kommt es zu einer
heftigen öffentlichen Kontroverse über
das Engagement der Schriftsteller als "Gewissen
der Nation". Appell von dreiundzwanzig Schriftstellern
(darunter auch Böll) an die UNO,
ganz Berlin zu deren Sitz zu machen.
1962
Die beiden Erzählungen »Als
der Krieg ausbrach« und »Als
der Krieg zu Ende war« erscheinen.
Im September/Oktober erste Reise
in die Sowjetunion.
1963
Der Roman »Ansichten eines
Clowns« erscheint.
In dieser Zeit verstärkt
sich das politische Engagement
des Schriftstellers Heinrich Böll.
Die Zahl seiner essayistischen Schriften
und Reden wird im Verhältnis zu
den Romanen und Erzählungen immer
größer.
1964
Die programmatische Erzählung »Entfernung
von der Truppe« erscheint. An der
Frankfurter Universität hält
Böll Vorlesungen zur Poetik, in
denen er sein "Ästhetik
des Humanen" entwickelt.
1965
Heinrich Böll wendet sich
in der Presse gegen massive Angriffe
von DDR-Zeitungen auf den Lyriker und
Liedermacher Wolf Biermann.
1966
Die umfangreiche Erzählung »Ende
einer Dienstfahrt« erscheint.
1967
Böll erhält den Georg-Büchner-Preis
der Deutschen Akademie für Dichtung
und Sprache. Böll erkrankt über
Monate schwer.
1968
Bei einer Veranstaltung gegen
die geplanten Notstandsgesetze
spricht Böll vor 70.000 Demonstranten.
Einladung an Heinrich Böll, Louis Aragon
und Jean-Paul Sartre zum Besuch der CSSR
durch den Tschechoslowakischen Schriftstellerverband.
Böll nimmt die Einladung im August
an und wird Zeuge der Invasion der CSSR
durch die anderen Staaten des Warschauer
Paktes, die die Demokratisierungsversuche
der Regierung Dubcek beendete.
1969
Auf der Gründungsversammlung
des Verbandes deutscher Schriftsteller
(VS) hält Böll seine Rede zum »Ende
der Bescheidenheit«.
Mit Beginn der Regierungszeit
des Sozialdemokraten Willy Brandt sieht
Böll, insbesondere in der neuen
Ostpolitik, eine stärker auf moralischen
Grundlagen aufbauende Politik. Die innenpolitische
Situation in der Bundesrepublik wird
durch den aufkommenden Terrorismus immer
angespannter. Böll und andere Intellektuelle
werden durch einige Politiker und ihnen
nahestehender Presseorgane zu "Ziehvätern
des Terrorismus" erklärt. Die
Sicherheitsmaßnahmen in der Bundesrepublik
werden verstärkt.
1970
Auf dem 1.Kongreß des
Verbandes deutscher Schriftsteller (VS)
spricht Heinrich Böll, in Anwesenheit
von Willy Brandt, über die »Einigkeit
der Einzelgänger«. Böll
wird zum Präsidenten des PEN-Zentrums
der Bundesrepublik gewählt.
1971
Böll wird zum Präsidenten
des internationalen PEN gewählt.
Der Roman »Gruppenbild mit Dame« erscheint.
1972
Im Zuge einer Großfahndung
nach Terroristen wird auch Bölls
Haus durchsucht. Heinrich Böll wird
am 10. September in Stockholm der Nobelpreis
für Literatur verliehen.
1973
Angesichts der zunehmenden Verfolgung
von Schriftstellern und Intellektuellen
in aller Welt fordert Böll die Politiker
in Ost und West auf, "endlich das
heuchlerische Konzept der Nichteinmischung
in die inneren Angelegenheiten anderer
Staaten aufzugeben". Als Beispiele
für Länder, in denen Intellektuelle
verfolgt werden, nennt er u.a. die Sowjetunion,
die Türkei, Spanien, Brasilien und
Portugal.
1974
Der russische Schriftsteller
Alexander Solschenizyn wird verhaftet
und nach massiven Protesten aus der Sowjetunion
ausgewiesen. Er findet in Bölls
Haus Zuflucht. Die Erzählung »Die
verlorene Ehre der Katharina Blum oder:
Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen
kann« erscheint. Böll erhält
die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Liga
für Menschenrechte.
1975
»Die verlorene Ehre der
Katharina Blum« wird von Volker
Schlöndorff verfilmt.
1976
Austritt aus der katholischen
Kirche.
1977
Premiere des Films »Gruppenbild
mit Dame«. Nach der Entführung
und Ermordung Hanns Martin Schleyers
kommt es erneut zu einer öffentlichen
Kampagne gegen Böll und andere Intellektuelle.
1978
Ein internationales Komitee,
dem auch Böll angehört, bittet "im
Namen der Menschlichkeit" den südkoreanischen
Präsidenten um die Freilassung des
seit Jahren in einer Einzelzelle festgehaltenen
Autors Kim Chi Ha.
1979
Der Journalist Rupert Neudeck
gründet die private Hilfsorganisation "Ein
Schiff für Vietnam", der sich
auch Böll anschließt. Ziel
dieser Initiative ist es, ein Schiff
zu chartern, um in Seenot geratene Vietnamflüchtlinge
zu retten. Böll lehnt die Verleihung
des Bundesverdienstkreuzes durch Bundespräsident
Scheel ab. Der Roman »Fürsorgliche
Belagerung« erscheint. Im Dezember
Reise nach Ecuador, plötzliche Gefäßerkrankung
im rechten Bein, Operation in Quito.
1980
In der Bundesrepublik erneute
Operation. Nach einem Gespräch mit
einer bolivianischen Frauendelegation
spricht sich Böll dafür aus,
eine internationale Kommission zur Untersuchung
der Lage in Bolivien nach dem Militärputsch
einzusetzen.
Durch die Krankheit
noch immer stark eingeschränkt,
engagiert Böll sich jetzt
verstärkt für die Friedensbewegung
und unterstützt die Partei der "Grünen".
1981
Bölls erster größerer
biographischer Text erscheint: »Was
soll aus dem Jungen bloß werden?
Oder: Irgendwas mit Büchern«.
Böll unterstützt den Appell
der Schriftsteller Europas gegen die
Neutronenbombe und die Nachrüstung.
Am 10. Oktober redet Böll auf der
großen Friedensdemonstration vor
ca. 300.000 Menschen in Bonn. Ein Teil
von Bölls Landhaus fällt einer
Brandstiftung zum Opfer.
1982
Böll protestiert bei einer
Pressekonferenz in Bonn gegen die innenpolitischen
Zustände in Polen und das dortige
Militärregime. Tod des Sohnes Raimund.
Nach einigen Querelen um den Text der
Beschlußfassung verleiht der Rat
der Stadt Köln Heinrich Böll
im November das Ehrenbürgerrecht.
Das Land Nordrhein-Westfalen verleiht
ihm den Professorentitel.
1983
In einem Offenen Brief an den
sowjetischen Parteichef Andropow fordert
Böll, die Verbannung des Nobelpreisträgers
Andrej Sacharow aufzuheben. In einer
Erklärung wenden sich Schriftsteller
aus sechs Ländern, unter ihnen auch
Böll, gegen die offenkundigen Versuche
der US-Regierung, die sandinistische
Regierung in Nicaragua zu stürzen.
Böll setzt sich bei den Wahlen für "Die
Grünen" ein. Im September beteiligt
er sich an der Blockade des US-Raketenstützpunktes
in Mutlangen.
1984
Böll wird vom französischen
Kultusminister Jack Lang zum Commandeur
im "Ordre des Arts et des Lettres" ernannt.
Böll erhält den dänischen
Jens-Bjørneboe-Preis des Odin-Theaters.
Das Preisgeld übergibt er der Organisation "Deutsches
Komitee Notärzte".
1985
Aus Anlaß des 40. Jahrestages der Kapitulation der deutschen Wehrmacht erscheint Bölls »Brief an meine Söhne oder vier Fahrräder«. Anfang Juli muß Böll erneut ins Krankenhaus und wird operiert. Am 15. Juli wird er entlassen, um sich auf eine weitere Operation vorzubereiten. Er stirbt am Morgen des 16. Juli in seinem Haus in dem kleinen Eifelort Langenbroich, bei seinem Tod ist nur seine Frau Annemarie im Haus anwesend.
1976 waren Annemarie und Heinrich Böll aus der Katholischen Kirche in deren Eigenschaft als "Körperschaft des Öffentlichen Rechts" ausgetreten. Heinrich Böll lebte und starb als gläubiger Christ. Aber die Aussage eines Priesters, er habe Heinrich Böll "in seiner schwersten Stunde begleitet" - und er habe "bei dem sterbenden Freund Zeichen der Umkehr gefunden" und ihn deshalb kirchlich beerdigt -, entspricht nicht den Tatsachen. Heinrich Böll wird am 19. Juli unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, von Kollegen und Politikern - unter ihnen Bundespräsident Richard von Weizsäcker - in Bornheim-Merten, in der Nähe von Köln, beigesetzt. Nach Bölls Tod geben sich viele Schulen in der Bundesrepublik seinen Namen. Im November 1987 wird in Köln auf Initiative von Freunden und der Familie des Schriftstellers die Heinrich-Böll-Stiftung.
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